Pflegefall in der Familie: Herausforderungen und Kosten

Was tun, wenn ein Familienmitglied pflegebedürftig wird?

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Durch den medizinischen Fortschritt ist die Lebenserwartung der Menschen höher als je zuvor. Mit Hilfe von Behandlungen und Medikamenten werden Menschen immer älter, dadurch aber auch oft pflegebedürftiger. In den meisten Fällen tauschen Eltern und Kinder irgendwann ihre Rolle. Die Nachkommen kümmern sich nun um ihre Mütter und Väter. Mit der Pflege von Angehörigen sind nicht nur viel Engagement sowie ein großer Zeitaufwand, sondern auch eine erhebliche finanzielle Beteiligung verbunden.

Im 21. Jahrhundert ist es oft üblich, dass beide Ehepartner berufstätig sind. Die Elterngeneration lebt zudem immer länger und muss häufig irgendwann gepflegt werden. In den wenigsten Fällen wohnen heute mehrere Generationen in einem Haus, was die Pflege im eigenen Hausstand erschwert. Mit diesen Voraussetzungen fällt die Entscheidung für eine Pflege zu Hause oder durch eine stationäre Pflegeeinrichtung keinem leicht. Doch welche Kosten fallen bei einem Pflegefall in der Familie an? Wann werden pflegende Angehörige zur Kasse gebeten und welche Unterstützung erhalten sie? Diese und weitere Fragen behandeln wir in diesem Ratgeber.

Erste Entscheidungen bei Pflegebedürftigkeit

Ein Pflegefall in der Familie bedeutet für alle Betroffenen eine emotionale Belastung. Die Pflegebedürftigen sind plötzlich nicht mehr selbstständig. Aber auch organisatorische und finanzielle Aufgaben kommen hier möglicherweise auf Sie zu. Sämtliche Aufgaben, die die Eltern oder Großeltern jahrelang selbst erledigten, können nicht mehr ohne Hilfe einer weiteren Person ausgeführt werden.

Doch wie umfangreich ist der Pflegebedarf? Am einfachsten ermittelt dies ein Gutachter der Pflegeklasse. Nachdem Sie dort einen Antrag auf einen Pflegegrad gestellt haben, vollzieht ein Fachmann persönlich die Pflegebegutachtung.

Die ermittelte Pflegestufe gibt Auskunft über den Pflegeaufwand. Die Selbstständigkeit ist dann:

  • 1: gering beeinträchtigt
  • 2: erheblich beeinträchtigt
  • 3: schwer beeinträchtigt
  • 4: äußerst schwer beeinträchtigt
  • 5: äußerst schwer beeinträchtigt

Wenn Sie sich des Pflegeumfangs Ihres Angehörigen bewusst sind, spielen folgende Überlegungen eine erhebliche Rolle:

  • Sind Sie selbst Teil- oder Vollzeit berufstätig?
  • Leben Sie in der näheren Umgebung Ihrer Angehörigen, sodass Sie einen Teil der Pflege übernehmen können?

Haben Sie diese Faktoren ermittelt, müssen Sie sich entscheiden:

  • Wollen Sie selbst pflegen?
  • Möchten Sie einen ambulanten Pflegedienst engagieren?
  • Wählen Sie eine stationäre Pflege im Heim?

 

Pflegefall: Wann zahlt die Pflegekasse?

Seit 1995 können durch die gesetzliche Pflegeversicherung Leistungen für pflegebedürftige Personen in Anspruch genommen werden. Wenn ein oder beide Elternteile pflegebedürftig werden, bedeutet das jedoch nicht, dass die Pflegekasse automatisch alle Kosten für den Pflegefall trägt. Von dieser werden nur bestimmte Dienste übernommen.

Damit Sie bzw. die zu pflegenden Eltern Kassenleistungen erhalten, müssen Sie bei der Pflegekasse die Feststellung des Pflegegrades beantragen. Wenn Sie nicht wissen, wer für Sie zuständig ist, gibt Ihnen Ihre Krankenkasse genaue Auskünfte. Dann können Sie dort eine formlose und schriftliche Beantragung einreichen.

Vom persönlichen Gutachten bis zum genehmigten Pflegegrad vergehen in der Regel ein paar Wochen. Allerdings erhalten Sie die Leistungszahlungen rückwirkend und müssen bis dahin die Pflege-Kosten vorstrecken.

Nach den fünf verschiedenen Stufen richtet sich dann auch die finanzielle Bezuschussung. Unabhängig der Höhe des Pflegegrades zahlt die Pflegekasse folgende Leistungen:

  • Betreuungs- und Entlastungsleistungen: 125 Euro (monatlich)
  • Verbrauch von Pflegemitteln: 40 Euro (monatlich)
  • Hausnotruf: 23 Euro (monatlich)
  • Wohngruppenzuschuss: 214 Euro (monatlich)

Einmalig für die Wohnraumanpassung: 4.000 Euro

Ab dem zweiten Pflegegrad unterscheidet sich die Höhe der Leistung je nach Pflegebedürftigkeit. Hier können Sie mit folgenden Zuschüssen rechnen:

Leistungsart Grad 2  Grad 3 Grad 4 Grad 5
Monatliches Pflegegeld 316 € 545 € 728 € 901€
Monatliche Pflegesachleistungen 689 € 1.298 € 1.612 € 1.995 €
Monatliche Tages- und Nachtpflege 689 € 1.298 € 1.612 € 1.995 €
Jährlich für Kurzzeitpflege 1.612 € 1.612 € 1.612 € 1.612 €
Jährlich für Verhinderungspflege 1.612 € 1.612 € 1.612 € 1.612 €
Monatlich für Vollstationäre Pflege 770 € 1.262 € 1.775 € 2.005 €

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Die eigenständige Pflege zu Hause

Bietet sich für Sie überhaupt eine Pflege zu Hause an? Diese Frage ist von zwei Faktoren abhängig:

  1. Ihrer verfügbaren Zeit
  2. Der Pflegebedürftigkeit Ihrer Angehörigen

Wenn Sie Ihre Angehörigen selbst pflegen, sparen Sie sich die Kosten für den Pflegedienst. Zudem kennen Sie Ihre Eltern oder Angehörige selbst am besten, was bei der Pflege hilfreich sein kann. Nachteilig ist allerdings der hohe Zeitaufwand so wie eine potenzielle psychische Belastung.

Aber auch wenn Sie die Versorgung selbst übernehmen, kommen Pflege-Kosten auf Sie zu, für:

  • Verpflegung
  • Medikamente und therapeutische Anwendungen, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden
  • Hilfsmittel bzw. Pflegehilfsmittel, die von der Krankenkasse nicht vollständig bezahlt werden (z.B. ein qualitativ besseres Pflegebett, ein hochwertigerer Rollstuhl, etc.)
  • Schaffung von barrierefreiem Wohnraum, besonders im Badezimmer, aber auch in der Küche, in Wohn- und Schlafzimmer

Zuschuss für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen

Hat die Pflegekasse für Ihren Angehörigen einen entsprechenden Pflegegrad festgelegt, können Sie bei dieser Unterstützung für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen beantragen. Hier geht es um Umbaumaßnahmen, die Sie im eigenen Haus bzw. im Haus der Eltern vornehmen müssen, um barrierefreien Wohnraum zu schaffen.

Sitzen die Eltern beispielsweise plötzlich im Rollstuhl, steht Ihnen womöglich ein altersgerechter Umbau bevor. Dann müssen eventuell Türen verbreitert oder das Badezimmer umgebaut werden. Pro Maßnahme erhalten Sie einen Zuschuss von bis zu 4.000 Euro. Investitionskosten, die über diesen Beitrag hinausgehen, müssen Sie selbst bezahlen.

 

Die Pflege zu Hause durch ambulanten Pflegedienst

Der ambulante Pflegedienst hilft Angehörigen und Pflegebedürftigen bis zu einem gewissen Ausmaß. Dieser ist nicht 24 Stunden vor Ort, sondern kommt zu festgelegten Zeiten und führt nur bestimmte Tätigkeiten aus. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Körperbezogene Pflegemaßnahmen wie die Körperpflege oder Förderung der Bewegungsfähigkeit
  • Häusliche Krankenpflege wie die Medikamentengabe, Verbandswechsel oder Injektionen
  • Beratung bei pflegerischen Fragestellungen oder Empfehlung von Essensdiensten
  • Beteiligung an der Haushaltsführung wie Kochen oder Putzen

Hinzu kommt, dass das Leistungsangebot je nach Pflegedienst variiert. Informieren Sie sich vorher genau, welche Betreuung benötigt wird und ob der jeweilige Pflegedienst diese auch übernimmt.

Mit einem ambulanten Pflegedienst, der die pflegebedürftige Person in seinen eigenen vier Wänden betreut, müssen Familienangehörige mit einem hohen Kostenaufwand rechnen. Das trifft besonders dann zu, wenn Sie selbst nur wenig pflegen können und daher viel Hilfe von einer Pflegekraft oder einem Pflegedienst benötigen. Meistens ist dann das Pflegegeld nicht mehr ausreichend und Sie müssen aus eigener Tasche zuzahlen. Je mehr Einsatz bei der Pflege entsteht, desto beachtlicher sind die Ausgaben. Daher ist es wichtig, dass Sie bei einem Pflegefall alle Finanzen gut im Blick haben.

Mit welchen Kosten müssen Sie im Pflegefall rechnen?

  • Leistungen des Pflegedienstes, welche die Grundleistungen der Pflegekasse übersteigen.
  • Die Preise für den Pflegedienst variieren von Bundesland zu Bundesland.
  • Die unterschiedlichen Aufgaben, die der Pflegedienst verrichtet, sind in einer Punktetabelle gelistet. Diese nutzt der Pflegedienst intern, da er jeder Leistung einen bestimmten Punktwert zuordnet. Diesen rechnet der Dienst wiederum in Euro um. Die Kosten beruhen auf der Vergütungsvereinbarung, die zwischen Pflegekasse und Pflegedienst geschlossen wurde.

Beispiel: Ihr Vater hat den Pflegegrad zwei. Dafür erhält er 689 Euro von der Pflegeversicherung für Pflegeleistungen. Er nimmt einen ambulanten Pflegedienst in Anspruch, der dreimal die Woche für eine kleine und zweimal die Woche für eine große Grundpflege kommt. Dafür verlangt der Pflegedienst in unserem Beispiel 850 Euro.

  • Ihr Vater muss die Differenz von 161 Euro aus eigener Tasche bezahlen.

Der Pflegedienst stellt eine Zwischenlösung dar. Er übernimmt pflegerische Aufgaben, die Sie selbst nicht übernehmen können. Alle anderen Aufgaben, die bei Abwesenheit des Pflegedienstes anfallen, müssen Sie bzw. die pflegebedürftige Person selbst erledigen.

 

Die stationäre Pflege im Heim

Kommen die oben genannten Optionen für Sie nicht in Frage, bleibt als letzte Alternative die stationäre Versorgung im Pflegeheim. Hier handelt es sich zwar um die Variante, die für Sie den wenigsten Betreuungsaufwand bedeutet, allerdings auch um das teuerste Pflegemodell. So wie die Kosten für die häusliche oder ambulante Pflege werden auch die Aufwendungen für das Pflegeheim nur teilweise übernommen. Gemäß der PKV-Pflegedatenbank liegt der Eigenanteil für die Pflege in einem Heim durchschnittlich bei 1.830 Euro im Monat.

Woraus bestehen die Kosten?

  • Unterbringungskosten: Hierzu zählen die Zimmermiete im Pflegeheim sowie die Reinigung des Zimmers, die Wäscheversorgung und die Müllentsorgung. Diese müssen Sie grundsätzlich privat zahlen.
  • Verpflegungskosten: Kosten für Essen und Trinken müssen auch eigenständig bezahlt werden.
  • Investitionskosten: Hier berechnet das Pflegeheim Kosten, die für bestimmte Anschaffungen oder Instandhaltungen des Heims anfallen. Dies müssen Sie ebenfalls aus dem eigenen Budget finanzieren.
  • Pflegekosten: Die Kosten, die rein für die Pflege anfallen, werden von der Pflegekasse je nach Pflegegrad übernommen. Alle zusätzlichen Pflegeleistungen, die über das Kassenangebot hinausgehen, müssen sie selbst tragen.

Die anfallenden Kosten unterscheiden sich außerdem je nach Pflegeinstitution.

 

Pflegefall: Wer muss für die Kosten aufkommen?

Wer die Kosten für den Pflegefall tragen muss, falls der Betroffene die Pflege selbst nicht zahlen kann, ist staatlich festgelegt. Dies gilt sowohl für die Kosten, die mit der Betreuung durch eine Pflegekraft im eigenen Haus entstehen, als auch für die Versorgung im Pflegeheim.

  1. Für den ersten Teil der Kosten kommt die Pflegekasse bzw. Pflegeversicherung auf.
  2. Den Betrag, der nach dem Kassenzuschuss übrigbleibt, muss der Patient eigenständig übernehmen. Dieser Eigenanteil wird in der Regel durch die Rente finanziert oder auch durch anderes bestehendes Vermögen des Patienten.
Wichtig:

Damit Sie weitere ungeplante Kosten für einen Pflegefall nicht selbst tragen müssen, ist es ratsam, vorzeitig in eine private Pflegezusatzversicherung einzuzahlen. Somit haben Sie ein weiteres Polster, um Kosten zu decken, falls die Rente oder bestehendes Vermögen nicht ausreichen bzw. um vorhandenes Vermögen zu schützen.

  1. Kann der Pflegebedürftige diese Kosten selbst nicht vollständig zahlen, wird das Renteneinkommen des Ehepartners miteinbezogen, um die übrigen Kosten zu begleichen. Wie hoch dieser Betrag ist, wird mit Hilfe der sogenannten Düsseldorfer Tabelle festgestellt. Diese Übersicht stellt eine bundesweite Richtlinie dar, ist jedoch nicht gesetzlich verankert. Die finanziellen Richtwerte geben an, wie hoch der Unterhalt eines Ehepartners für den anderen sein muss, wenn für anfallende Pflegekosten das Renteneinkommen nicht ausreicht.
  2. Wenn auch der Beitrag des Ehepartners nicht mehr ausreicht, um alle anfallenden Kosten zu decken, mussten bislang an vierter Stelle die Kinder für die Kosten des elterlichen Pflegefalls aufkommen. In den seltensten Fällen werden die Enkelkinder gebeten, Kosten für den Pflegefall mitzufinanzieren. Hierzu wurde zum 01.01.2020 eine Neuregelung eingeführt. Wie diese genau lautet, erfahren Sie im Anschluss.
  3. Wenn all die oben genannten Angehörigen für die Kosten des Pflegefalls aufgekommen sind und noch immer Ausgaben übrigbleiben, übernimmt in letzter Konsequenz das Sozialamt die restlichen Kosten. Dieser Zuschuss läuft unter der Bezeichnung „Hilfe zur Pflege“.

 

Neuregelung zum Elternunterhalt

Seit 01.01.2020 gilt das Angehörigen-Entlastungsgesetz. Dies beinhaltet, dass Kinder für die Kosten eines elterlichen Pflegefalles erst ab einem Bruttoeinkommen von 100.000 Euro aufkommen müssen. Bewegt sich das Bruttoeinkommen unterhalb der 100.000 Euro-Grenze, kommt das Sozialamt für die fehlenden Aufwendungen auf.

Ziel dieses Gesetzes ist, dass Kinder die Pflege ihrer Eltern ohne finanzielle Probleme an ein Heim übergeben können.

Sind die pflegenden Kinder oder Angehörigen selbst berufstätig, kann die Pflege der Eltern oder Großeltern überfordern. Mit der Einführung dieses Entlastungsgesetzes werden die pflegenden Angehörigen unterstützt.

 

Schonvermögen und Selbstbehalt

Der Begriff Schonvermögen beinhaltet alles, was laut Gesetz dem Unterhaltspflichtigen zusteht, um den eigenen Lebensunterhalt abzusichern. Der eigene Lebensunterhalt des zahlungspflichtigen Angehörigen darf in keiner Weise bedroht sein. Auch die eigene Altersvorsorge der pflegenden Kinder darf nicht angefochten werden. Die pflegenden Familienmitglieder dürfen, nur aufgrund der Pflege des Angehörigen, selbst nicht zum Sozialfall werden.

Zum Schonvermögen gehört auch der sogenannte Selbstbehalt. Dieser Betrag wird dem unterhaltspflichtigen Angehörigen zugesichert, um die eigene Existenz zu erhalten. Geht man vom bereinigten Nettoeinkommen des unterhaltspflichtigen Kindes aus, ist Alleinstehenden ein Selbstbehalt von 1.800 Euro zugesichert. Ehepaaren steht ein Betrag von 3.600 Euro zu.

 

Im Pflegefall an sich und andere denken

Durch die neue Regelung sind die Angehörigen zwar entlastet, wenn es um die Kosten bei einem Pflegefall geht. Allerdings sollten Verwandte und Freunde einer pflegebedürftigen Person auch auf sich selbst Acht geben.

Gerade wenn sie sich um ihre Eltern kümmern, überfordern sich viele Kinder bei der Pflege. Je höher der Pflegegrad ist, umso schwieriger ist eine private Pflege. Hier das richtige Maß an Zeit und Hingabe zu finden, kann manchmal schwieriger sein als die finanzielle Herausforderung. Nehmen Sie Hilfe an und haben Sie kein schlechtes Gewissen, wenn Sie die Unterstützung eines Pflegediensts oder -heims in Anspruch nehmen.

Tipp:

Tipp für junge Menschen: Wenn Sie Ihre private Pflegeversicherung in jungen Jahren abschließen, sind die monatlichen Beiträge deutlich günstiger als bei einem Abschluss in höherem Alter. Sie genießen sofortigen Einkommens- und Vermögensschutz und haben heute schon die Gewissheit, später niemandem zur Last zu fallen.